Smart Meter steht bei Experten in der Kritik

Gläserne Bürger, kaum Vorteile für Verbraucher, eine Gefahr für die Stromversorgung – so die Meinung der Experten zum Gesetzentwurf zur „Digitalisierung der Energiewende“. Profitieren von Smart Meter nur die Stromkonzerne?

Smart Meter sollen 2017 Standard werden

Am vergangenen Mittwoch beriet der Bundestag über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Digitalisierung der Energiewende“, zu dem die Abgeordneten noch in diesem Monat ihr Votum abgeben werden. Im Gesetz geht es primär um die Einführung sogenannter Smart Meter (intelligente Stromzähler), die künftig Verbrauch und Einspeisung des Stroms registrieren. 2017 sollen Stromkunden an das Smart Grid angeschlossen werden.

Zwangsdigitalisierung für alle

Verbraucher erhalten mit den neuen Stromzähler eine Art Schaltzentrale, mit der sie ihr Heim in ein Smart Home verwandeln können. Bisher ist vorgesehen, dass die Energieversorger verpflichtet sind, alle Verbraucher mit einem Jahresverbrauch von mehr als 6.000 Kilowattstunden mit Smart Metern auszustatten. Bei Haushalten, die weniger als 6000 Kwh verbrauchen, sollen entweder Netzbetreiber oder bei Mietwohnungen auch Vermieter darüber entscheiden, ob eine entsprechende Anlage installiert wird. Ein Freifahrtschein für Energieversorger.

Die Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (Vzbv) fordert deshalb, dass Kleinverbraucher vorher um Zustimmung gebeten werden müssen und dass diejenigen mit über 6.000 Kilowattstunden Verbrauch pro Jahr ein Widerspruchsrecht erhalten.

Energieversorger bekommen Daten automatisch zugeschickt

Mittels Smart Meter erhalten Energieversorger alle paar Sekunden die Zählermesswerte eines Haushaltes. Anhand der Daten können sie dann Verbrauchskurven erstellen und erkennen, welche Haushaltsgeräte zu welcher Tageszeit verwendet werden. Für jeden Stromkunden lässt sich der gesamte Tagesablauf anhand des Stromverbrauches abbilden. „ Der intelligente Stromzähler wird über die Bewohner des Haushaltes alles wissen“, erklärt  Dr. Erik Tews von der Technischen Universität Darmstadt:

„Über diese Stromzähler kann man sehr detailliert heraus kriegen, wer wann wie viel Strom verbraucht hat. […], wann jemand abends ins Bett gegangen ist, wann er das Licht ausgeschaltet hat und ob morgens im Bad einmal oder zweimal der Föhn benutzt wurde oder ob der Fernseher läuft oder Computer läuft, das kriegt man alles über so eine Stromverbrauchskurve sehr genau raus und damit natürlich auch sehr detaillierte Informationen über den Lebensumstand der Menschen, […].“

Gesetzentwurf weist massive Sicherheitslücken auf

Laut Experten hat die Bundesregierung bei dem Gesetzentwurf kaum Wert auf Sicherheit gelegt. Denn bislang stellen die Datenspeicher das größte Risiko dar. Das Pikante daran: Nur ein Stromzähler könnte ausreichen, um sich Zutritt auf das gesamte Netzwerk zu verschaffen. Angreifer könnten auch gezielt einzelne Haushalte angreifen. Per Fernbefehl, beispielsweise von einem Smartphone aus, könnten Zähler manipuliert werden. Sogar Malware lässt sich in der Firmware der Smart Meter installieren. Dann könnten Diebe allein anhand des Stromverbrauchs feststellen, ob die Bewohner gerade zu Hause sind.

Schon im Jahr 2014 zeigten Sicherheitsexperten in Spanien, wie einfach es ist, sich Zugriff auf ein Smart Meter zu verschaffen. Über nur einen Stromzähler hatten Sie Zugriff auf das gesamte Netzwerk. Sie wiesen darauf hin, dass sich dadurch  sogar der Strom in ganzen Stadtvierteln ausschalten ließe.

Stromkonzerne wollen Preisvorteile an Verbraucher weitergeben

Indes pochen Energieversorger auf die Vorteile von Smart Metern. Mit ihnen wollen Sie die Preisunterschiede bei der Beschaffung von Strom an die Stromkunden weitergeben. Ihr oberster Ziel sei, die Kosten der Energiewende zu dämpfen und die Netze stabil zu halten.

Der Vzbv macht weiterhin auf den Zwangscharakter des Gesetzes aufmerksam, der indirekt auch vom Bundesrat kritisiert wird. Stromsparen hänge stärker von Information und konkreten Handlungsempfehlungen ab als von technischen Geräten. Zudem gebe es bisher nur wenige "variable Tarife", mit denen sich Energiekosten im Haushalt drücken ließen.

(Bildmaterial © RWE AG) 18.04.2016 | HausXXL