Reetdachhaus mit roten Backsteinen

Reetdachhäuser kommen besonders häufig im norddeutschen Raum vor. Aber auch in Asien und Afrika ist das umweltfreundliche Dach vertreten. Warum sich die romantische Bedachung lohnt und wie Sie dieses in Schuss halten, erfahren Sie hier.

Was ist ein Reetdachhaus?

Ein Reetdachhaus zeichnet sich charakteristisch durch seine Bedachung mit Schilf aus. Das sogenannte Reet, Reit, Ried oder Rieth wird bereits seit über 6.000 Jahren zur Herstellung von Dächern benutzt. Durch die Benutzung von Naturmaterialien erscheint das Reetdachhaus besonders umweltfreundlich. Zudem hat es sich insbesondere in den nördlichen Gebieten von Deutschland als Markenzeichen herausgearbeitet.

Die Vorteile des Schilfs

Entgegen vieler Vorurteile bringt das Reetdach viele Vorteile mit sich, die sich durch positive Baueigenschaften äußern:

  • Wärme- und Schalldämmung
  • gute statische Eigenschaften, wie Tragfähigkeit, Festigkeit und Elastizität
  • guter Brandschutz dank Feuerschutzimprägnierung
  • gegen Wasser und Frost resistent
Bündel von Reet
Geerntetes Reet wird gekämmt, getrocknet und gebündelt, bevor es weiterverarbeitet wird.
Die Wärmedämmung, die durch Reet entsteht, wirkt zweifach. Zum einen sind die Halme luftgefüllt, zum anderen entstehen in der dicken Reetdachschicht Zwischenräume, in denen die Luft zirkulieren kann, wodurch ein Temperaturausgleich zur Außenluft gewährleistet wird. Aufgrund dieser Eigenschaften entsteht auch eine gute Lärmdämmung. Moderne Reetdächer werden zudem mit feuerfester Imprägnierung von speziellen Herstellerns behandelt, um die Entflammbarkeit herabzusetzen. Auch Brandschutzplatten unterhalb des Daches dienen zur Feuerfestigkeit des Hauses.

Hartnäckige Gerüchte: Die Lebensdauer des Reetdachs und seine Entflammbarkeit

Um das Reetdach halten sich schwerwiegende Gerüchte. Ihm wird eine leichte Entflammbarkeit nachgesagt, wobei keine erhöhte Brandklasse ausgeschrieben ist. Das enthaltene Silizium im Reet macht das Schilfrohr besonders wasserabweisend und schwerer entflammbar als zunächst angenommen. Trotzdem ist das Reetdach im Vergleich zu einem modernen Haus mit Dachziegeln leichter entzündlich.

Des Weiteren wird dem Reetdach ein schnelles Verrotten nachgesagt. Besonders wird dabei der Weißfäulepilz beobachtet, welcher häufiger in Regionen mit intensiver Landwirtschaft vorkommt, weil das in der Luft liegende Ammoniak das Reet aufweicht. Auch Vermosung oder Algenbefall lässt ein Reetdach vorzeitig verrotten. Eine Vermosung kann jedoch durch qualitativ hochwertiges Reet und intakte Dampfsperren verhindert werden.

ein vermoostes Reetdach
Eine Vermosung des Reetdaches ist nach Möglichkeit zu verhindern. Notfalls müssen Chemikalien, wie beispielsweise Ammoniumverbindungen, zum Einsatz kommen.

Durchschnittlich wird das Reetdach zwischen 25 und 40 Jahren alt. Wie genau der Alterungsprozess des Daches voranschreitet, ist abhängig von mehreren Faktoren. Ausschlaggebend sind eine gute Pflege, die sachgemäße Anbringung des Reets, sowie die Qualität des Schilfs. Je trockener das Dach ist, desto größer ist die Lebensdauer des Reetdachs. Ist die Dachhaut dünner als 15 bis 20 Zentimeter, muss das Dach erneuert werden.

Reetdachhaus bauen: Wie wird ein Reetdach gedeckt?

Reetdachhäuser gehen auf eine über Jahrhunderte alte Bautradition zurück. Viele der heute noch erhaltenen Reetdachhäusern stehen aus diesem Grund unter Denkmalschutz. Was das Reetdach zum naturverbundenen Baustoff macht, ist, dass Reet ein nachwachsender Rohstoff ist, der im einjährigen Zyklus geerntet werden kann.

Tipp: Falls das Reet aus dem Ausland bezogen wird, sollte darauf geachtet werden, dass es aus denselben Breitengraden stammt, um ein ähnliches Klima zu gewähren und die Lebensdauer des Daches zu erhöhen.

Nach dem Mähen wird das Reet durch eine Maschine von Verunreinigungen gesäubert. Nach einer Trocknungszeit von einem halben Jahr kann das Reet geschnitten und verarbeitet werden. Um ein Reetdach bauen zu lassen, müssen spezielle Reet- oder Rohrdachdecker engagiert werden. Ein gewöhnlicher Dachdecker hat dies unter Umständen nicht erlernt.



Reetdach Arten: Ein Reetdach nach Geschmack

Die Arten, wie ein Reetdach gebaut wird, belaufen sich auf folgende Befestigungsmöglichkeiten:
  • genäht
  • gebunden
  • geschraubt
  • besondere lokale Techniken
Es können vier Arten von Firsten für Reetdächer unterschieden werden. Diese entscheiden auch darüber, wie das Dach gepflegt und gewartet werden muss:
Der Reetfirst
Der Reetfirst ist im Osten Schleswig-Holsteins weit verbreitet. Hierfür werden die Halme mit dem Wurzelende nach oben gedreht, das Bund auf Höhe geklopft und anschließend an die Dachlatten vernäht.
Der Heidefirst
Der Heidefirst kommt aus der niedersächsischen Heide. Hierbei wird Heidekraut beidseitig des Firstes in einen Maschendraht gestopft und mit einem Nylongewebe gesichert. Das Heidekraut muss hin und wieder nachgestopft werden, da es mit der Zeit dichter wird.
Der Sodenfirst
Der Sodenfirst ist an der westlichen Küste von Schleswig-Holstein verbreitet. Er wird mit Grasplaggen bedeckt und mit Holznägeln fixiert. Für diese Art des Firstes muss ein Schlauch zur Bewässerung gelegt werden.
Der Kupfer- oder Ziegelfirst
Der Kupfer- oder Ziegelfirst ist die moderne Firstart eines Reetdaches. Kupferfirste setzen Grünspan frei, welcher gegen Vermosung oder Veralgung hilft. Ziegelfirste haben ihren Ursprung in Holland und sind sehr robust.

Qualitätsmerkmale von Reetdächern: So muss das Reetdach aufgebaut sein

Um ein hochwertiges Reetdach zu erhalten, sollten einige Qualitätsmerkmale vorliegen. Diese belaufen sich auf folgende:

  • harte Halme zwischen 3 und 9 Millimeter
  • gelbliche bis braune Farbe
  • frei von Gras und anderen Pflanzenresten
  • biegsam
  • 30 Zentimeter dicke Schicht für die Deckung des Dachstuhles
  • Dachneigung von mindestens 45 Grad

Eine gute Hinterlüftung verlängert zudem die Lebenszeit des Daches, zeitgleich setzt es jedoch die Dämmwirkung herab, sodass eine optimale Wärmedämmung auf eine andere Weise sichergestellt werden muss. Dies kann durch eine zweischaligen Konstruktion gelöst werden, deren Schalen dank einer ventilierten Luftschicht thermisch voneinander getrennt werden. Die Innenschale ist zudem mit einer Wärmedämmung versehen.

Reetdachhaus in Norddeutschland
Ein typisches Reetdachhaus wie dieses, ist im Norden Deutschlands öfter anzutreffen.

Reetdach pflegen: So hält sich das Reetdach länger

Eine regelmäßige Wartung und sorgfältige Pflege sorgen für ein langlebiges Reetdach. Dazu gehören das wiederholte Säubern und Festklopfen des Reets. Um Verrottung vorzubeugen, müssen Bäume in der Nähe des Reetdachs ausreichend gestutzt sein, denn herunterfallendes Laub sorgt für einen Moos- oder Algenbefall. Entstehendes Moos und Algen müssen regelmäßig beseitigt werden.

Reetdach: Kosten und Versicherung

Was kostet ein Reetdach? Das ist stark abhängig vom benutzten Reet, als auch von der Anbringung einer Dämmung. Pro Quadratmeter sollte mit Kosten ab 100 Euro gerechnet werden. Alles darunter weist auf mangelnde Qualität des Schilfs hin. Zusätzliche Kosten entstehen bei einer gesonderten Dämmung. Da ein Reetdach schneller entflammbar ist, als massive Dächer, ist hier auch die Wohngebäudeversicherung wesentlich teurer.

Die Versicherungssumme wird aus dem gleitenden Neuwert errechnet und verändert sich jährlich entsprechend dem Baukostenindex. Bei einem Haus von 140 Quadratmetern Wohnfläche kann dieses für durchschnittlich 600 Euro jährlich versichert werden. Die Wohngebäudeversicherung für ein Massivhaus mit fester Bedachung kostet dagegen nur ein Viertel davon:

Massivhaus mit Reetdach Massivhaus mit harter Bedachung
600 Euro/Jahr 150 Euro/Jahr


Fazit: Moderne Reetdachhäuser verbinden Tradtition und Innovation

Das Reetdach ist und bleibt ein romantischer Hingucker, der darüber hinaus ökologisch ist. Technisch gesehen steht das Reetdachhaus einem modernen Fertighaus oder Massivhaus mit fester Bedachung in nichts nach. Wem das Reetdach optisch gefällt, sollte allerdings mit höheren Kosten für den Bau des Daches und die Versicherung rechnen.

(Bildmaterial: v.o.n.u. © thatched-roof house (Tobias Haase/Flickr, CC BY 2.0), © thatchers material (Howard Griffiths, CC BY 2.0), © Reetgedecktes Fachwerkhaus in Waase auf Ummanz (Rügen) (1) (Pixelteufel/Flickr, CC BY 2.0), © Weichert Reetbedachungen & Ökobau GmbH (www.reetdach-berlin.de), © Am Hafen von Kloster auf der Insel Hiddensee (1) (Pixelteufel/Flickr, CC BY 2.0)) 17.05.2016 | HausXXL